Vor diesem denkwürdigen Abend im Literaturhaus sahen wir Juri Andruchowytsch im März 2022 auf einer Videoleinwand im Nikolaikirchhof, mit einer Videobotschaft, gefilmt am 21. Tag von Putins Krieg im kargen Underground-Kulturzentrum „Vagabundo“, das Andruchowytsch mit Freunden in seiner westukrainischen Heimatstadt Iwano-Frankiwsk aufgebaut hat. Nun kommt der wohl bedeutendste Autor der Ukraine leibhaftig nach Leipzig – und hat einen neuen Roman im Gepäck: „Radio Nacht“ (Suhrkamp), 2020 in der Ukraine erschienen, ist nicht nur ein sprachliches Feuerwerk, sondern ein Gegenwartsroman von eminenter Aktualität. Besser ließe sich der Ausklang unseres Herbsts nicht denken: Ein von Poesie und Musik gleichermaßen inspirierter Autor zieht alle Register, um den Ängsten und der realen Bedrohung die Souveränität der Phantasie entgegenzusetzen.
„Ich habe immer davon geträumt, einen Roman zu schreiben, der klingt.“ Juri Andruchowytsch
Innerhalb einer Oktober-Woche bringt der Literarische Herbst die ganze Bandbreite dessen auf Leipzigs Bühnen, was Literatur will und kann - kühn und poetisch, literarisch klug, politisch. Das reicht vom Gipfeltreffen der besten Debütantinnen und Debütanten des Jahres im Ostpassage-Theater bis zur Lyrikpräsentation im privaten Wohnzimmer, vom prominent besetzten Krimiabend bis zur popkulturellen Grenzüberschreitung im UT Connewitz. Dabei gilt: Gute Bücher kennen kein Verfallsdatum! Mit den Herbst Tapes, präsentiert von der in Leipzig lebenden Autorin Isabelle Lehn, lassen sich einige der spannendsten Lesungen und Gespräche des letztjährigen Festivals nachhören.